Dieser Vers ist dem Bericht der Sturmstillung entnommen. Die Situation war damals durchaus kritisch: Die Fallwinde am See Genezareth sind tückisch – und als erfahrene Fischer wussten die Jünger das. So war ihnen klar, dass sie sich in dieser Situation in höchster Gefahr befanden. Die Lage war lebensbedrohlich.
Das Vertrauen, das sie vielleicht einmal hatten, gerät in dieser Situation schnell ins Wanken. Denn Jesus ist zwar mit im Boot – aber er schläft! Ich frage mich ernsthaft, wie das möglich war: Das Boot schwankte wie eine Nussschale, es war mit Sicherheit laut und im Schlaf hat Jesus vermutlich auch die ein oder andere Welle abbekommen. Schon interessant, dass er da schlafen konnte! Ich muss zugeben: Auch ich kenne manche bedrohliche Situationen, in denen Jesus zu schlafen schien. Ich hatte teilweise das Gefühl, dass ich mich abstrample, um möglichst alles im Griff zu behalten. Trotzdem merkte ich, wie mir die Dinge über den Kopf wuchsen – aber Jesus kümmerte das anscheinend nicht. Er ist zwar mit im Boot – aber so richtig hilfreich erscheint er nicht. Ich hatte nach wie vor das Gefühl, in den Problemen meines Lebens zu ertrinken.
So kann ich es sehr gut nachvollziehen, dass die Jünger in ihrer Situation Jesus aufwecken. Mit der dramatischen Feststellung: „Meister, Meister, wir kommen um!“ rütteln sie ihn wach. Für die Jünger schien alles zu spät zu sein. Sie konnten sich wahrscheinlich auch nicht mehr vorstellen, wie Jesus an dieser Situation noch irgendetwas ändern könnte. Trotzdem blieb die letzte Hoffnung: Wenn jemand an dieser Situation etwas ändern kann, dann noch am ehesten Jesus! So wecken sie ihn auf – vielleicht auch als Akt der Verzweiflung.
Und was tut Jesus? Er spricht im wahrsten Sinne ein Machtwort, und der Sturm ist von einer Sekunde auf die andere gestillt. Ich kann mir so richtig vorstellen, wie sich bei den Jüngern Erleichterung breit macht. Jetzt erstmal tief Luft holen, alles sacken lassen und verarbeiten, dass sie gerade mit knapper Not dem Tod entgangen sind. Doch ganz so scheint es nicht gewesen zu sein. Denn es heißt im Text: Sie fürchteten sich. Das Erlebte war anscheinend so beeindruckend, dass sich zu der Erleichterung, mit dem Leben davon gekommen zu sein, auch Ehrfurcht mischte. Denn die Frage ist: Wer ist denn dieser Mensch, dem sogar Wind und Wellen gehorchen? Vielleicht auch die leise Ahnung: Dieser Mensch muss mehr sein, als „nur“ ein Mensch. Warum sollten die Naturgewalten ihm sonst gehorchen?
Kann es sein, dass dieser Mensch tatsächlich auch Gott ist? Doch Jesus beantwortet diese Frage nicht. Er liefert keine Erklärungen – er fragt nach dem Glauben der Jünger. Letztendlich fordert er sie auf, an ihn zu glauben – ohne dass sie ganz genau wissen, auf wen sie sich da eigentlich einlassen. Denn Glaube ist immer Vertrauenssache. Damals wie heute.